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Hallo [subscriber:firstname | default:],

Neukölln macht leider oft nicht die positivsten Schlagzeilen.  

An diesem Wochenende soll dort allerdings die Kunst und Kultur im Mittelpunkt stehen. 

»Urbane Stille« ist das diesjährige Thema bei dem Kulturfestival  48 Stunden Neukölln.  Was es dort alles zu hören und zu sehen gibt, kannst du dem umfangreichen Programm entnehmen. Die meisten Veranstaltungen können kostenlos besucht werden.

Aber natürlich habe ich auch außerhalb Neuköllns wieder vieles gefunden, was mir interessant erscheint.

Viel Spaß beim Lesen und Entdecken

wünscht

Christoph, der Berlinspazierer 🚶‍♂️

Deutsches Sportforum entdecken

Auch, wenn ich glaube, dass ich mich einigermaßen gut auskenne in Berlin, gibt es doch immer wieder Neues zu entdecken.  In dieser Woche war das für mich das Gelände des Deutschen Sportforums neben dem Olympiastadion.

Anlässlich der Fußball-EM 2024  wird dort im »Haus des deutschen Sports« eine sehenswerte Ausstellung zum Thema »Fußball im Nationalsozialismus«  gezeigt.  Wie das Olympiastadion ist auch die Architektur auf diesem Gelände sehr geprägt von der Zeit des Nationalsozialismus. Auch wenn die Planungen für die Anlage schon in den 1920er-Jahren begonnen haben.

Der Sport war für die Nazis ein wichtiges Mittel, die Menschen für ihre Ideologie zu begeistern. Das beste Beispiel dafür sind natürlich die Olympischen Spiele von 1936.

Aber auch die Fußballleidenschaft der Deutschen, wussten die Nationalsozialisten für sich auszunutzen.  Die Ausstellung zeigt, wie sie Verbände und Vereine immer mehr vereinnahmten. Die Widerstände in den Vereinen waren dabei unterschiedlich ausgeprägt.  Jüdische Mitglieder wurden ausgeschlossen und die vielen jüdischen Sportvereine wurden verboten. 

Diese Entwicklungen teilweise bis hin zur Ermordung in Konzentrationslagern zeigt die Ausstellung sehr eindrücklich anhand einiger beispielhafter Schicksale. 

Eine wirkliche Entnazifizierung gab es im deutschen Fußball nie. Auch das wird in der Ausstellung klar.  Der ehemalige Reichstrainer Sepp Herberger wurde 1950 Bundestrainer und führte die deutsche Mannschaft 1954 zur Weltmeisterschaft. Auch viele andere Funktionäre hatten ihre Verstrickungen mit den ehemaligen Naziherrschern.

Noch heute ist Rassismus und Antisemitismus leider immer wieder ein Thema in Fußballstadien.  Auch wenn man hervorheben muss, dass es auch immer mehr Faninitiativen dagegen gibt. 

Eine wichtige Ausstellung, deren Besuch sich auch für den Nichtfußballfan lohnt.

Geöffnet ist sie noch bis zum 31. Juli 2024.  Täglich von 10 bis 18 Uhr.  Allerdings nicht an diesem Samstag (29.6.) und den anderen Tagen, an denen EM-Spiele im Olympiastadion stattfinden. 

Auf jeden Fall sollte man auch einen Spaziergang über das ganze weitläufige Gelände machen.  Gut erreichbar von S-Bahn oder U-Bahnhof Olympiastadion. 

Globe-Theater auf der Insel

Die Mierendorffinsel in Berlin-Charlottenburg ist der Standort eines ganz besonderen Theaters. Seit 2019 gibt es hier in den Sommermonaten Open-Air-Vorstellungen vom Globe-Berlin-Theater.

Der Name erinnert an ein legendäres Theater in London, an dem William Shakespeare Hausautor war und alle seine Stücke aufführte. Auch architektonisch war das Theater etwas Besonderes. Es war rund und die Zuschauer saßen über mehrere Stockwerke verteilt. 

Ein ähnliches Gebäude soll in den nächsten Jahren auch hier entstehen.  Das hölzerne Material dafür gibt es schon.  Die Bauteile stammen vom ehemaligen Globe-Theater aus Schwäbisch Hall. Der Theatergründer Christian Leonard hat sie vor einigen Jahren gekauft und bemüht sich seitdem um einen Neuaufbau hier in Berlin.

Die Zeichen dafür stehen jetzt gut. Möglicherweise kann 2025 mit dem Bau begonnen werden.

Aber bis dahin sind die Theaterleute natürlich nicht untätig.  Aus einigen der hölzernen Bauteile wurde unter freiem Himmel ein Bühnenrund geschaffen. Die Zuschauer sitzen in der Mitte und sind damit mitten im Geschehen.  Das schafft eine ganz besondere Atmosphäre. Gelegentlich hört man während der Vorstellung auch gelegentlich Rufe vom benachbarten Sportplatz oder ein Motorrad knattert vorbei, aber gerade dieser provisorische Charakter macht auch das besondere dieses Theaters aus.

Der Anspruch der Truppe ist es, echtes Volkstheater zu bieten. Nicht im Sinne von Ohnesorg oder Millowitsch-Theater, sondern klassisches Theater.

Diese Spielzeit steht unter dem Motto »Schein und Sein«.  Auf dem Spielplan stehen unter anderem Hamlet, ein Sommernachtstraum, Maria Stuart und der Urfaust.  

Der Urfaust hat am 27. Juni Premiere und wird auch an diesem Wochenende jeden Tag gespielt. 

Ich hatte Gelegenheit eine Probe anzuschauen und war von der Inszenierung und besonders der Spielfreude der Darsteller sehr angetan.  Man braucht keine Angst vor Klassikern zu haben, wenn sie so dargeboten werden. Gradlinig, ohne theatralische »Mätzchen«.  Unterhaltsam, ohne die tiefgründigen Inhalte des Stückes aus den Augen zu verlieren. 

Das macht auf jeden Fall Lust auf weitere Besuche in diesem Theater.

Es gibt aber nicht nur klassische Theaterstücke dort. Immer dienstags gibt es Musik mit den wunderbaren »Swingin' Hermlins« und Musik der 1930er-Jahre aus Amerika. 

Auch das Kant-Theater Berlin ist regelmäßig im Globe-Theater zu Gast. Die Schauspieler*innen Anette Daugardt und Uwe Neumann bringen verschiedene berühmte Romane und Erzählungen in ihrer ganz besonderen Art auf die Bühne.  Neben Orwells »1984« und Dostojewskis »Schuld und Sühne«  kommt in diesem Kafka-Jahr auch Franz Kafkas »Brief an den Vater«  erstmals auf die Bühne des Globe Theaters. 

Ein Blick auf den Spielplan *  lohnt also auf jeden Fall. Im Vergleich zu anderen Theatern sind die Eintrittspreise ab 22,– € auch noch relativ günstig.  Es gibt verschiedene Ermäßigungen und Mengenrabatte.  

Es empfiehlt sich ein Online-Ticket *, an der Abendkasse ist es 2,- € teurer.  

Buch- und Ausflugstipp: Das Oderbruch

Oder bei Küstrin

Die etwas raue, sehr weitläufige Landschaft des Oderbruch ist das Thema eines gerade in Neuauflage erschienenen Reiseführers aus dem Findling-Verlag.

»Liebe auf den zweiten Blick« ist der Untertitel des Buches und das passt recht gut.  Nicht jedem erschließen sich auf Anhieb die Schönheiten dieses Landstriches.

Es sind nicht die spektakulären Sehenswürdigkeiten, oder andere Superlative, die den Reiz dieser Gegend ausmachen. Man muss schon etwas genauer hinschauen.

Genau dabei hilft dieser Kulturhistorische Reiseführer. Die Autorin Carmen Winter ist im Oderbruch aufgewachsen und lebt jetzt in Frankfurt (natürlich das an der Oder).  

Sie kennt die Gegend wie die sprichwörtliche Westentasche.

Vieles, an dem man sonst vielleicht unbemerkt vorbeigegangen wäre, rückt sie in den Mittelpunkt.  Das sind Dörfer, Kirchen, Städtchen und Landschaften, aber immer wieder auch Menschen.

In den vergangenen Jahren haben sich viele Künstler*innen in der sonst eher dünn besiedelten Gegend angesiedelt. Es kann daher passieren, dass man auch im kleinsten Dorf plötzlich auf ein Atelier oder eine Galerie stößt. 

Auch das östlichste Theater Deutschland ist hier zu finden.

Neben interessanten Hintergrundinformationen gibt das Buch auch praktische Tipps wie Übernachtungs- und Einkehrmöglichkeiten, Öffnungszeiten und Veranstaltungshinweisen.

Die Weitläufigkeit des Gebietes und der leider meist ziemlich schlecht ausgebaute ÖPNV macht das Fahrrad zum idealen Verkehrsmittel, um das Oderbruch zu erkunden. Auch zu Fahrradrouten gibt das Buch Hinweise.

Ein guter Einstieg, um die Gegend kennenzulernen, ist der kleine Kurort Bad Freienwalde. Von Berlin aus auch gut mit der Bahn zu erreichen.  Im dortigen Oderlandmuseum   bekommt man einen guten Überblick über Geschichte und Besiedlung des Oderbruch. Leider ist das Museum ausgerechnet sonntags geschlossen. Es gibt aber noch im Ortsteil Altranft ein sehenswertes Museum, das auch sonntags geöffnet hat.  Hier kann man das alte dörfliche Leben im ehemaligen Fischerdorf kennenlernen.

Nur zwei kleine Beispiel für Sehenswertes in dieser einzigartigen Gegend, die sogar mit dem europäischen Kulturerbe-Siegel ausgezeichnet wurde.  

Ich habe nach der Lektüre des Buches aus jeden Fall Lust bekommen, dort noch vieles zu erkunden. Bei Gelegenheit werde ich natürlich darüber berichten.

Kurztipps

Mein Foto der Woche

Seebad Friedrichshagen

Nicht der schlechteste Ort an diesen heißen Tagen. Das Seebad Friedrichshagen ist zwar nicht immer so leer wie auf diesem Bild, aber immer noch ein kleiner Geheimtipp. Also bloß nicht weitersagen.

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