Spandau Prison auf der Zitadelle Spandau

Spandau Prison

Wo heute in der Spandauer Wilhelmstadt ein Supermarkt steht, befand sich einst eines der bekanntesten Gefängnisse der Welt. Kaum etwas erinnert daran, dass hier über Jahrzehnte das »Spandau Prison« stand – ein Ort, der die deutsche Geschichte vom Kaiserreich bis zur Nachkriegszeit widerspiegelt.

Das Gefängnis wurde weltweit bekannt, weil dort nach 1947 die im Nürnberger Prozess verurteilten NS-Kriegsverbrecher ihre Haftstrafen verbüßten. Am Ende blieb nur noch der ehemalige Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß als einziger Häftling zurück. Nach seinem Tod 1987 beschlossen die Alliierten, das Gefängnis vollständig abzureißen. Selbst der Bauschutt wurde vernichtet, um zu verhindern, dass der Ort zu einer Pilgerstätte für Rechtsextreme wird. Heute ist die Fläche überbaut, und kein Hinweis erinnert mehr an das Gebäude.

Eine Ausstellung in der Zitadelle Spandau widmet sich nun erstmals umfassend der Geschichte dieses verschwundenen Bauwerks. Unter dem Titel »Spandau Prison. 1877–1987« zeigt sie, wie sich die Nutzung des Gefängnisses über die Jahrzehnte verändert hat – von der kaiserlichen Haftanstalt über den Ort politischer Verfolgung in der NS-Zeit bis hin zur alliierten Nachkriegsverwaltung. Gezeigt werden historische Fotos, Dokumente und Objekte, zum Teil bislang unveröffentlichte Materialien. Zeitzeugeninterviews und künstlerische Zugänge, etwa in Form von Comic-Illustrationen, erweitern den Blick auf diesen ungewöhnlichen Ort.

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Spannend wird die Ausstellung auch durch ihre interaktiven Elemente. Vorgestellt wird beispielsweise das sogenannte Klopfalphabet, mit dem Gefangene heimlich miteinander kommunizierten. Besucherinnen und Besucher können ausprobieren, wie sich damit Botschaften übermitteln und entschlüsseln ließen. Diese kleine Übung vermittelt anschaulich, wie erfinderisch Menschen selbst unter strengster Isolation Wege des Austauschs fanden.

Das ehemalige »Central-Festungsgefängnis« war zunächst für Militärangehörige bestimmt. Ab 1933 nutzte es die nationalsozialistische Regierung für sogenannte »präventive Schutzhaft«, in der politische Gegnerinnen und Gegner eingesperrt wurden. Einige von ihnen wurden später hingerichtet. Nach dem Krieg übernahmen die Alliierten die Haftanstalt und machten sie zu einem gemeinsamen Gefängnis für die im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess Verurteilten, unter ihnen Albert Speer, Baldur von Schirach und Rudolf Heß.

Die Ausstellung erinnert auch an die besondere Situation der Nachkriegszeit, in der vier Siegermächte gemeinsam den Gefängnisbetrieb organisierten – ein einmaliges Arrangement, das oft zu absurden Abläufen führte. Über zwei Jahrzehnte lebte Heß schließlich allein in dem riesigen, streng bewachten Komplex.

Mit dem Abriss des Gefängnisses 1987 verschwand der Ort vollständig – eine verständliche Entscheidung der damaligen Alliierten. Durch den Abriss entstand jedoch auch eine Leerstelle im kollektiven Gedächtnis, denn eine Gedenkstätte für die Opfer der NS-Zeit existiert dort bis heute nicht. Die Ausstellung in der Zitadelle Spandau greift genau diese Lücke auf und beschäftigt sich damit, wie Erinnerung funktionieren kann, auch wenn der historische Ort nicht mehr existiert.

Eine wirklich sehenswerte Ausstellung, die noch bis zum 17. Mai 2026 gezeigt wird. Geöffnet ist sie von Freitag bis Mittwoch jeweils von 10 bis 17 Uhr und donnerstags von 13 bis 20 Uhr. Der Eintritt kostet 4,50 Euro.

→ Webseite der Ausstellung

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