Zwischen den Welten: Irma Stern im Brücke-Museum

Es ist immer wieder spannend zu sehen, wie es das Brücke-Museum schafft, mit seinen Ausstellungen neue, oft überraschende Bezüge zur Künstlergruppe Brücke aufzuzeigen.
Die aktuelle Schau widmet sich Irma Stern (1894–1966) – einer Künstlerin, die eng mit der Berliner Kunstszene der 1920er-Jahre verbunden war, heute in Deutschland aber nur noch wenig bekannt ist. In Südafrika hingegen gilt sie bis heute als eine bedeutende Vertreterin der Moderne.
Stern wurde in Südafrika geboren, verbrachte jedoch einen Teil ihrer Jugend in Berlin. Sie studierte Malerei, unter anderem in Weimar, und gehörte zum erweiterten Kreis rund um die Brücke-Künstler. Besonders eng war sie mit Max Pechstein verbunden, der ihre frühe Karriere förderte.
Die Ausstellung zeigt nicht nur Werke von Irma Stern, sondern stellt sie in einen Dialog mit Arbeiten der Brücke-Künstler – allen voran Pechstein, aber auch mit Werken anderer Gruppenmitglieder. Dabei werden thematische und formale Gemeinsamkeiten sichtbar, auch wenn Sterns Malweise oft glatter und gefälliger wirkt.
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Ergänzt wird die Schau durch einige Arbeiten des südafrikanischen Künstlers Athi-Patra Ruga (*1984). Ruga hat sich intensiv mit Sterns Werk auseinandergesetzt und war mehrere Monate als Artist in Residence im Irma Stern Museum in Kapstadt tätig. Seine Werke verstehen sich als Kommentar – und zugleich als Weiterführung.
Irma Sterns Bilder sind geprägt von ihren zahlreichen Reisen durch Afrika, auf denen sie viele Porträts anfertigte. Ihre Darstellungen zeigen Schwarze Menschen in kräftigen Farben – respektvoll, aber oft auch anonymisiert. In Europa wurden diese Werke wegen ihrer „Exotik“ gefeiert, in Südafrika dagegen häufig dafür kritisiert, dass sie ihre Modelle „zu wohlwollend“ darstelle. Nur einer von vielen Widersprüchen, die ihr Werk bis heute begleiten.
Auch ihre Landschaftsbilder folgen oft einem idealisierenden Blick. Sie zeigen menschenleere, scheinbar „unberührte“ Natur – ein Bild, das koloniale Vorstellungen von Besitz und Aneignung widerspiegelt.
Sterns gesellschaftliche Position war ebenfalls ambivalent: In Deutschland wurde sie als jüdische Künstlerin ausgegrenzt und verfolgt. In Südafrika hingegen profitierte sie als Weiße vom rassistischen Apartheid-System – war aber auch dort antisemitischen Vorurteilen ausgesetzt.
Das Brücke-Museum macht aus dieser Retrospektive keine bloße Hommage, sondern eine vielschichtige Auseinandersetzung. Es würdigt Sterns künstlerische Kraft – und benennt zugleich die problematischen Aspekte ihres Blicks. Besonders positiv finde ich, dass die Ausstellungsmacher*innen Fragen aufwerfen und Widersprüche sichtbar machen, ohne vorschnell zu urteilen.
So entsteht das facettenreiche Bild einer Frau, die sich zwischen Welten bewegte – zwischen Anerkennung und Ausgrenzung, zwischen kolonialen Klischees und realem Leben. Und als Künstlerin, die sich in einer damals überwiegend männlich dominierten Kunstszene behauptete.
Die Ausstellung »Irma Stern. Eine Künstlerin der Moderne zwischen Berlin und Kapstadt« ist noch bis zum 2. November 2025 im Brücke-Museum am Grunewald zu sehen. Geöffnet ist immer Mittwoch bis Montag von 11 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 6,- €.