Bombastisch – das ist das Wort, das mir nach der Premiere der Rockoper Jesus Christ Superstar als Erstes in den Sinn kommt. Wahrscheinlich hat dieses Stück noch nie eine so aufwendige Inszenierung erlebt.
Passend dazu auch der Aufführungsort, der selbst gigantische Ausmaße hat. In einem Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof hat die Komische Oper einen Ausweichspielort gefunden, solange ihr Stammhaus renoviert wird. Nur in dieser riesigen Halle lässt sich ein Ensemble solcher Dimensionen auf die Bühne bringen. Rund 500 Mitwirkende sollen es sein, darunter allein mehrere hundert Tänzerinnen und Tänzer die für eindrucksvolle Massenszenen sorgen.
Auch musikalisch wird groß aufgefahren. Neben einem großen Orchester gibt es eine Rockband, die für kräftige Power sorgt, aber auch die leisen Töne beherrscht. Von meinem Platz aus fand ich den Sound überzeugend. Andere Besucherinnen und Besucher waren wohl nicht ganz so zufrieden. Es ist sicherlich auch eine enorme Herausforderung, einen so gewaltigen Raum gleichmäßig zu beschallen.
Die Musik stammt übrigens von dem damals noch recht unbekannten Andrew Lloyd Webber, der damit zusammen mit Tim Rice seinen internationalen Durchbruch feierte.
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Zur Handlung muss man eigentlich nicht viel sagen. Seit rund 2000 Jahren ist die Geschichte bekannt – die letzten Tage im Leben von Jesus Christus. Auch wenn das Ende jedem klar ist, gelingt es dieser Aufführung, den Stoff packend zu erzählen. Im Mittelpunkt steht natürlich „Superstar“ Jesus (John Arthur Greene), doch auch Judas (Sasha Di Capri) und Maria Magdalena (Ilay Bal Arslan) sind wichtige Figuren, und ihre Darstellerinnen und Darsteller überzeugen auf ganzer Linie. Jesus wird dabei als zerrissene Figur gezeigt, hin- und hergerissen zwischen den widersprüchlichen Erwartungen und Hoffnungen, die alle auf ihn projizieren.
Besonderen Applaus erhielt der Auftritt von Herodes (Jörn-Felix Alt), der hier in einer schrillen Variante à la Freddie Mercury auf die Bühne kommt. Insgesamt kommt die Inszenierung ohne all zu viele krampfhafte Modernisierungen aus und überzeugt gerade deshalb mit klarer Erzählweise und viel Energie.
Eine kleine Beobachtung am Rande: Hinter mir saß der Schauspieler Reiner Schöne, mittlerweile 83 Jahre alt. In den 1970er-Jahren spielte er in der deutschen Erstaufführung selbst den Jesus (siehe bei Instagram). Soweit ich mitbekommen habe, war er sichtlich beeindruckt – und wohl auch ein wenig erschlagen vom gebotenen. Zu seiner Zeit ging es deutlich reduzierter zu, damals verzichtete man sogar auf ein Kreuz.
Jetzt in Tempelhof ist natürlich auch das Kreuz monumental. Ebenso der Schlussapplaus des begeisterten Premierenpublikums. Zurecht.
Noch bis zum 9. Oktober stehen weitere Vorstellungen auf dem Programm. Wer dabei sein möchte, sollte sich beeilen – viele Termine sind bereits ausverkauft.
→ Termine und weitere Informationen
Transparenzhinweis: Tickets wurden mir vom Veranstalter kostenlos zur Verfügung gestellt.